Über Serienmörder wurde schon viel geschrieben und analysiert. Dass sie selbst über sich und ihre Motive schreiben, ist aber eher selten. Und doch griff Dennis Nilsen Ende Februar 1983 zum Kugelschreiber und schrieb. Über sich, seine Motive, seine Opfer.
Kurz zuvor war er verhaftet worden. Insgesamt 15 Morde, die er zwischen 1978 und 1983 verübt hatte, gestand er der britischen Polizei. Dass er deutlich mehr Menschen umgebracht hat, wird angenommen.
Geboren wurde Nilsen am 23. November 1945 in Aberdeenshire. Die Ehe seiner Eltern war schwierig, sie hatten wohl zu früh und übereilt geheiratet. Nach der Scheidung wächst er bei seinen Großeltern auf. Als er sieben Jahre alt ist, stirbt sein Großvater – ein traumatisches Erlebnis für den Jungen, wie er selbst berichtet.
Nilsen geht zur Armee und wird später Polizist, allerdings nur für wenige Monate. Er wohnt in einer Londoner WG mit dem zehn Jahre jüngeren David Gallichan. Die Beziehung zwischen den beiden Männern war kompliziert und sexuell wenig erfüllend. Als Gallichan im Jahr 1977 auszieht, bleibt Nilsen verbittert zurück. Ein Jahr später beginnt er zu morden.
Sein erstes Opfer findet er am 30. Dezember 1978 in einem Pub. Der irische Arbeiter, Stephen Holmes, ist jung, gerade einmal 14 Jahre alt und hatte versucht, in der Kneipe Alkohol zu kaufen. Nilsen selbst war schon angetrunkenen in den Pub gegangen, er wollte Gesellschaft – um jeden Preis, wie er später berichtet. Er läd den Jungen zu sich ein, die beiden trinken und hören Musik. Sie schlafen im Rausch ein. Am nächsten Morgen fürchtet Nilsen, dass Holmes ihn verlassen könnte. Er beschließt, dass der Junge "über das neue Jahr bei mir bleiben sollte, ob er wollte oder nicht", sagt Nilsen später aus. Er würgt ihn mit einer Krawatte bis zur Bewusstlosigkeit und ertränkt ihn danach in einem Eimer Wasser. Dann masturbiert er und versteckt den Leichnam unter seinen Dielen. Dort bleibt dieser, bis Nilsen ihn im August 1979 im Garten verbrennt.
Auch seine späteren Opfer lernt er in Kneipen kenne. Es sind meist junge, homosexuelle Männer, einige sind obdachlos. Mit Getränken, Mahlzeiten und einem Schlafplatz lockte er sie zu sich. Einer von ihnen, Andrew Ho, den Nilsen im Oktober 1979 kennenlernte, konnte fliehen, als Nilsen versuchte, ihn zu erwürgen. Er ging zur Polizei, doch die glaubte der Geschichte von Nilsen. Demnach habe Ho versucht, ihn auszurauben.
Im Dezember 1979 lernte Nilsen den kanadischen Studenten Kenneth Ockenden in einem Pub kennen. Er bot dem 23-Jährigen an, ihm die Stadt zu zeigen. In Nilsens Wohnung erdrosselte er den jungen Mann mit dem Kabel seiner Kopfhörer. Später sagte er aus, dass er sich daran erinnern könne, wie er den Körper an dem Kabel über den Boden zog, sich selbst ein Glas Rum einschenkte und über die Mordwerkzeug-Kopfhörer Musik hörte. Am nächsten Tag kaufte er sich eine Polaroidkamera und machte mit dem Leichnam bizarre Fotografien und verstaute den Körper in Plastikfolie verpackt unter den Dielen. In den darauf folgenden zwei Wochen holte er den Körper mehrmals aus dem Versteck und setzte ihn in einen Sessel, während er selbst fernsah und Alkohol trank. In dem Brief, den Nilsen nach der Verhaftung verfasste, schreibt er dazu: "Je größer die Schönheit (nach meiner Einschätzung) des Mannes ist, desto größer ist das Gefühl von Verlust und Trauer. Ihre toten nackten Körper faszinierten mich, aber ich hätte alles getan, um sie wieder lebendig zu machen."
Ab dem Jahr 1980 wurde Nilsen als Mörder aktiver, sechs Männer fielen dem Serienkiller zum Opfer. Die Lösung, die Leichname unter den Dielen zu verstecken, wurde für Nilsen zum Problem. Gerade in den Sommermonaten, denn die Leichen zogen Insekten an, der Verwesungsgeruch war stark. Maden hatten sich in den Körpern eingenistet und krochen aus Augenhöhlen und Mündern. Nilsen versprühte Deo gegen den Gestank und nutzte Insektizide. Ende 1980 begann Nilsen, die Leichen zu sezieren und verbrannte die sechs Leichen hinter seinem Haus. Um den Geruch des brennenden Fleischs zu überdecken, legte er einen Autoreifen auf den Scheiterhaufen. Die zurückbleibenden Knochen und Schädel zertrümmerte er danach.
Mitte 1981 beschloss Nilsens Vermieter, das Haus zu sanieren. Nilsen musste ausziehen. Inzwischen hatten sich wieder Leichen unter den Dielen angesammelt. Er beschloss, ein drittes und letztes Lagerfeuer hinter dem Haus aufzurichten.
In seiner neuen Wohnung im Muswell Hill im Norden von Londons machte er weiter mit dem Morden. Sein vorletztes Opfer sollte der 21-jährige Carl Stottor werden, den er im Mai 1982 kennenlernte. Auch ihn nahm er mit in seine Wohnung. Und mit ihm trank er, bis der junge Mann einschlief. Als er erwachte, merkte er, dass Nilsen ihn gerade würgte. Doch statt den Mann endgültig zu töten, reanimierte er ihn, pflegte ihn einige Tage und brachte ihn dann zum Bahnhof. Stottor konnte sich an die Tat nicht genau erinnern und Nilsen räumte seine Bedenken aus. Nilsen schreibt dazu selbst, dass die Wiederbelebung ihm "das Gefühl gegeben hat, tatsächlich sein Leben gerettet zu haben. Dieser Erfolg freute mich sehr".
Nicht nur die Taten selbst, auch die Entsorgung der Leichen änderte sich in der neuen Wohnung. Denn nach dem Sezieren der Leichen zerstückelte er nun die Opfer. Einige Körperteile bewahrte er im Kleiderschrank, einer Teekiste oder in einer Schublade auf, andere spülte er in der Toilette herunter.
Am 4. Februar 1983 beschwerte sich Nilsen bei seinem Vermieter, dass die Abflüsse im Haus verstopft und die Situation für ihn und die anderen Bewohner des Hauses nicht mehr tragbar seien.
Eine Klempnerfirma kam und entdeckte allerlei Fleisch und Knochen in den Abflüssen. "Es sieht für mich so aus, als hätte jemand sein Kentucky Fried Chicken heruntergespült", soll einer der Handwerker gesagt haben. Die Blockade war so stark, dass die Arbeiter beschlossen, diese erst am nächsten Tag zu lösen – sie machten Feierabend.
Am nächsten Tag war der Abfluss leer. In einem anderen Rohr allerdings fanden die Arbeiter kleinere Knochen, die aussahen, als ob sie von einer menschlichen Hand stammen würden. Die Männer riefen die Polizei. Als Nilsen von den Beamten aus seiner Wohnung geführt wurde, fragten sie ihn, ob die Knochen einer oder zwei Personen gehörten. Nilsen soll nur aus dem Fenster des Polizeiwagens gestarrt und geantwortet haben: "15 oder 16, seit 1978."
Am 24. Oktober 1983 begann der Prozess gegen Dennis Nilsen, der 15 Morde und fünf Mordversuche gestanden hatte. Doch angeklagt wurde er nur wegen sechs Morden und zwei Mordversuchen – nur diese Verbrechen konnte die Staatsanwaltschaft ihm wirklich nachweisen. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Dennis Nilsen starb nach 35 Jahren Haft im Alter von 72 Jahren im Gefängnis Full Sutton in Yorkshire. Die Todesursache soll natürlicher Art gewesen sein.
Der britische Sender itv verfilmte den Fall neu. Die Hauptrolle als Dennis Nilsen spielt David Tennant, den man aus Serien wie "Doctor Who" oder "Broadchurch" kennt.
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